Wer sich mit Internet Governance beschäftigt, kommt rum in der Welt. Man trifft sich mehrmals im Jahr zu großen Konferenzen an verschiedenen Orten. In dieser Woche war ICANN der Gastgeber in Singapur. Die ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) ist ein privates, nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtetes US-Unternehmen mit einer Reihe von beratenden Gremien und Organen drumherum. Dort versammeln sich mehrere Tausend Vertreter von Regierungen, Unternehmen und Gesellschaft in einem sog. Multi-Stakeholder-Dialog. ICANN selbst verantwortet die Koordinierung und Vergabe kritischer Internetressourcen – zuletzt zum Beispiel die Vergabe neuer Domainendungen.
Beim Treffen in Singapur beschäftigten sich die Konferenzteilnehmer vor allem mit einer wichtigen Weichenstellung: der künftigen Rolle der IANA. Hinter der IANA (Internet Assigned Numbers Authority) verbirgt sich wiederum eine Abteilung der ICANN mit einer für das Internet zentralen Aufgabe: sie ist sozusagen der Buchhalter des Internets. Statt Zahlungsströmen verwaltet und koordiniert die IANA die zentralen Datenbanken für Internet-Protokolle, IP-Adressen und Domain-Namen. Sie verwaltet weltweit IP-Adressbereiche und vergibt IP-Adressen an regionale Organisationen auf den verschiedenen Kontinenten. Die IP-Adressen können anschließend entweder direkt an den Endkunden gereicht werden oder werden von Service-Providern weitergegeben. Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert die Vergabe von Domainendungen.
Darüber, dass dabei alles korrekt abläuft, wacht bisher das US-Handelsministerium. Das hat allerdings zuletzt angekündigt, dass es diese Kontrolle ab Herbst 2015 nicht mehr ausüben möchte. Ein neues Konzept für die Kontrolle von ICANN und IANA wird also gesucht. Schließlich sind solch wichtige Prozesse und Ressourcen in der Hand eines einzelnen Unternehmens kritisch. Hierbei sollte der Vorsatz Gründlichkeit vor Schnelligkeit gelten. Allerdings muss ein konsensual erarbeiteter Vorschlag binnen der nächsten Monate auf dem Tisch liegen. Sinnvollerweise bindet man auch hier alle Stakeholder gemäß dem Multi-Stakeholder-Ansatz entsprechend ein.
Genau dieser Ansatz soll schon bei der Neuvergabe der Aufsichts- und Kontrolle über die IANA-Funktionen eine wichtige Rolle spielen. Die Entscheidung soll in einem offenen und transparenten Verfahren getroffen werden, an denen die Zivilgesellschaft, Unternehmen, Regierungen und Betreiber von technischer Infrastruktur mitwirken sollen. Eine weitere Voraussetzung, die die US-Regierung aufgestellt hat, ist, dass keine Regierung oder internationale Regierungsorganisation die Aufsichtsfunktionen allein übernimmt, sondern ebenfalls ein Gremium in dem alle Interessengruppen vertreten sind.
Die große Schwierigkeit liegt allerdings im Zeitplan. Da der Vertrag zwischen ICANN und dem US-Handelsministerium im Herbst 2015 ausläuft, muss binnen kurzer Zeit ein neues Konzept auf dem Tisch liegen. Eine von ICANN besetzte Expertengruppe musste einräumen, dass die Zeit um einen ausgegorenen Vorschlag zu erarbeiten, zu knapp bemessen sei. Bestenfalls könne im Juni 2015 ein Konzept stehen. Doch nicht nur der Zeitplan bereitet den Expertengremien Sorgen. Auch unterschiedliche Rechtssysteme machen den Offiziellen zu schaffen, denn ICANN unterliegt zurzeit kalifornischer Gerichtsbarkeit. Nach kalifornischem Recht wären wahrscheinlich viele Änderungen bei der Übergabe der Aufsichts- und Kontrollfunktion über die IANA juristisch fragwürdig. Im Ergebnis soll das Internet auch mit einem neuen Buchhalter noch im gleichen Maße offen und frei sein.
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