Kaum ein Thema wird derzeit im Brüsseler Politikbetrieb so aktiv diskutiert wie die Zukunft der Telekommunikationsbranche. Vor knapp 30 Jahren gab es in Europa durchgängig staatliche Monopole. Sowohl Brüssel als auch die Mitgliedsstaaten selbst sind seitdem aber beherzt die Liberalisierung angegangen und haben Wettbewerbern ermöglicht, den ehemaligen staatlichen Unternehmen konkurrierende Angebote entgegenzusetzen. Die Erfolge dieses Wettbewerbs sind sichtbar: die Angebote werden für den Endkunden beständig attraktiver und im Vergleich zu anderen Regionen, etwa den USA, sind Breitbandanschlüsse erschwinglicher. Nun diskutiert die Politik, wie man den zugrundeliegenden Rechtsrahmen mit einem Gesetzespaket an die aktuellen Herausforderungen anpassen kann.

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Mario Rehse
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Dieses Gesetzespaket und die daran anknüpfende Debatte, welche Rolle dem Wettbewerb auch künftig zukommt, waren Gegenstand einer Diskussionsveranstaltung des Wirtschaftsministeriums Rheinland-Pfalz mit Vertretern aus Wirtschaft, Regulierungsbehörden und Politik. Dieser Veranstaltung hat die Wirtschaftsministerin Eveline Lemke ein klares Bekenntnis zum Wettbewerb vorausgeschickt:

Regulierungsferien für Telekommunikationsunternehmen oder zeitlich befristete Monopole auf Ebene der Netzbetreiber sind kein geeignetes Anreizinstrument, um Innovationen und Investitionen hervorzurufen […] Es geht darum, wie die Weichen gestellt werden können, um Europa international wettbewerbsfähiger zu machen, ohne im Binnenmarkt an Wettbewerbsintensität einzubüßen.

Naturgemäß wird die Rolle des Wettbewerbs aus verschiedenen Blickwinkeln anders gesehen und unterschiedlich stark betont. Als  überzeugte Verfechterin von Wettbewerb hebt Annegret Gröbel, Abteilungsleiterin Internationales bei der Bundesnetzagentur, hervor, dass gerade auch der Breitbandausbau wettbewerbsgetrieben erfolgen müsse. Dabei dürfe es aber auch nicht zu einem Ausbau um des Ausbaus Willen kommen – die tatsächliche Nachfrage beim Kunden hinke nämlich noch den politisch definierten Breitbandzielen hinterher.  Im Hinblick auf eine europäische Regelung sei es wichtig, die unterschiedlichen Marktsituationen in den einzelnen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen und nicht unnötig zu verallgemeinern.

Roland Doll, Vice President Europaean Affairs bei der Deutschen Telekom stellt fest, dass insbesondere die nächsten Jahre für die Branche und die Entwicklung der digitalen Gesellschaft entscheidend sein werden, gerade weil IT und Telekommunikation eine Schnittstellentechnologie für andere Wirtschaftszweige ist. Wichtige Säulen seien daher eine moderne Regulierung, weitere Marktkonsolidierung, die Spektrumsfreigabe für mobiles Internet, das Vertrauen der Nutzer in die Services sowie einheitliche Bedingungen gerade in Bezug auf dominante amerikanische Internetdienste.

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Demgegenüber betont Martin Witt, CEO der 1&1 Telecommunication AG, die Notwendigkeit, konsequent auf Wettbewerb zu setzen. Die Antwort auf die Marktmacht großer amerikanischer Plattformen könne nicht darin liegen, diesen ein Oligopol von Netzbetreibern gegenüberzustellen. Gerade der US-Markt, in dem Kunden häufiger maximal zwei Anbieter haben und deutlich höhere Preise zahlen müssen, zeige, wie wichtig die Aufrechterhaltung von Wettbewerb ist. Insofern müsse Europa sich hüten, dem falschen Vorbild nachzueifern – insbesondere weil gerade ganz im Gegenteil die Wettbewerbshüter in den USA neidisch auf Europa schauen.

In Bezug auf den Breitbandausbau verleiht die Abgeordnete des EU-Parlaments Julia Reda Ihrer Hoffnung Ausdruck, dass Wettbewerb und staatliche Regulierung den Ausbau positiv beeinflussen können, wie man am Beispiel anderer europäischer Staaten wie Finnland oder Rumänien sehe. In Bezug auf den Wettbewerb zwischen verschiedenen Infrastrukturen lobte sie den Technologiemix aus kabelgebundenen und Mobilfunklösungen gut, gab aber zu bedenken, dass insbesondere Unternehmen eine Anbindung mit verlässlichen Bandbreiten benötigen. Sofern jetzt noch Investitionen in Kupfernetze getätigt werden, müsse darauf geachtet werden, dass diese Investitionen auch zukunftsfähig sind und in Anbetracht des notwendigen Glasfaserausbaus nicht „versenkt“ werden.

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Angemessene Rahmenbedingungen für fairen Wettbewerb zwischen Plattformen, Diensten und Netzen sind die Zielvorstellung von Rainald Krüger, Head of Unit Regulatory Coordination and Markets bei der EU-Kommission. Er hält daher eine marktbasierte Regulierung erforderlich, die sich vor allem an der Intensität des Wettbewerbsdrucks orientiert. Testfrage müsse dabei sein, welcher Regulierungsrahmen auf der einen Seite auf die Erreichung eines digitalen Binnenmarkts einzahlt und auf der anderen Seite die für den Breitbandausbau notwendigen Investitionen fördert.

Daran, diese vielgestaltigen Ansätze und Herausforderungen unter einen Hut zu bringen, arbeiten aktuell die Brüsseler Institutionen. Basierend auf den Vorschlägen von EU-Kommission und EU-Parlament erarbeitet der Rat als Vertretung der Mitgliedsstaaten derzeit eine gemeinsame Position. Dabei zeichnet sich ab, dass das ursprünglich sehr große Paket auf einige wenige Punkte reduziert werden könnte. Selbst wenn das das Zwischenergebnis sein sollte, sind die gestrichenen Punkte nicht vom Verhandlungstisch, sondern würden dann voraussichtlich in die im nächsten Jahr turnusgemäß anstehende Evaluation des Regulierungsrahmens einfließen. Breitbandausbau und Wettbewerbssicherung werden also weiter wichtige Diskussionsfelder auf dem Brüsseler Parkett bleiben.

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