Mehrfach haben wir hier im Blog in den letzten Jahren dazu berichtet, wie Politik und die Gerichte mit dem Dauerbrenner Netzsperren umgehen. Zuletzt hatte sich der Europäische Gerichtshof mit der Thematik beschäftigt, ohne dass dies aber zu einer endgültigen rechtlichen Klärung beigetragen hätte.
Mit Spannung erwartet wurde daher das Urteil in einem bereits seit längerem anhängigen Verfahren vor dem Oberlandesgericht Köln, in dem es wieder einmal um Sperranordnungen im Kontext von Urheberrechtverletzungen ging. Das Oberlandesgericht hatte das Verfahren extra ausgesetzt, um die Vorgaben des EuGH abzuwarten. Die Entscheidung ist mithin die erste gerichtliche Präzisierung der Vorgaben der Luxemburger Richter aus dem März.
Mitte Juli erging nunmehr das für Deutschland wegweisende Urteil (Urt. v. 18.7.2014 – 6 U 192/11), dessen Volltext seit kurzem verfügbar ist. Das Gericht bestätigt hierin erneut die bislang einheitliche Rechtsprechung in Deutschland, wonach Internetprovider nicht verpflichtet werden können, Internetseiten zu sperren – eine Entscheidung, die wir als 1&1 nachdrücklich begrüßen.
Folgende Punkte halten die Kölner Richter in ihrem ungewöhnlich ausführlich begründeten Urteil für ausschlaggebend: Keine der in Betracht kommenden technischen Maßnahmen auf Seiten der Access-Provider ist diesen zumutbar, denn…
- keines der technischen Verfahren ist in der Lage, effektiv zwischen zulässigen und unzulässigen Inhalten zu entscheiden.
- alle Sperrmaßnahmen berühren die Grundrechte der Meinungs- und Informationsfreiheit der Nutzer wie auch der Berufsfreiheit der Internet-Provider. Die Provider würden durch Sperrmaßnahmen faktisch zum Aufbau und zum Betrieb einer spezifischen „Sperrinfrastruktur“ gezwungen.
- einzelne der in Betracht kommenden Maßnahmen, nämlich die Sperrung konkreter Unterseiten bzw. einzelner Links bedeuten aufgrund der damit verbundenen Überwachung des Kommunikationsverkehrs außerdem einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis, der besonders rechtfertigungsbedürftig ist und einer eigenständigen Rechtsgrundlage bedürfte. Eine solche Vorschrift gibt es in Deutschland aber gerade nicht.
- Angesichts der leichten Umgehbarkeit von Sperren und der immanenten Gefahr der Mitsperrung legaler Inhalte sind die hiermit verbunden Grundrechteingriffe auf Seiten der Nutzer wie auch der Internetprovider nicht zu rechtfertigen.
Das OLG trägt damit im Ergebnis der vom EuGH nachdrücklich geforderten Berücksichtigung der verschiedenen betroffenen Grundrechte in besonderer Weise Rechnung. Obwohl die Entscheidung auf der Linie der bisherigen Gerichtsentscheidungen in Deutschland liegt ist sie daher als wegweisend einzustufen.
Nachdem die Politik bereits 2010 einen Schlussstrich unter das Thema Netzsperren gezogen hatte – ist dies nun auch der Endpunkt der gerichtlichen Kämpfe? Vermutlich noch nicht – das OLG Köln hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, der sich bislang mit der Frage der Netzsperren noch nicht auseinanderzusetzen hatte. Wir werden das Thema hier weiter im Blog verfolgen.
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