Politische Vorhaben mit Apronymen, also bildhaften Abkürzungen, zu etikettieren ist in den USA ein beliebtes Spiel. Der „Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism“-Act, der PATRIOT-Act also, hat es durchaus zu internationaler Berühmtheit geschafft, wenn auch eher trotz als wegen seines einprägsamen Namens. Hierzulande konnte man dergleichen bislang eher selten beobachten – immerhin hat die deutsche Steuerbürokratie uns eine ELSTER geboren, die deswegen freilich nicht zwingend die sprichwörtlich diebische sein muss. Heute gesellt sich nun #AIDA dazu. Was je nach Vorliebe zunächst nach Oper oder Kreuzfahrt klingt meint hier den neuen Bundestags-Ausschuss für Internet und digitale Agenda.
Diesen „Internetausschuss“ hätte es eigentlich schon seit Dezember 2013 geben sollen, aber die Berliner Ränkespiele um Notwendigkeit und Befugnisse des neuen Gremiums sorgten zunächst nur für Wortspiel-Kreativität im Netz, statt für mehr Netzpolitik in Berlin. Die Tatsache, dass der Ausschuss nun doch noch eingesetzt wird ist insoweit schon für sich genommen eine gute. Dass sich dem Vernehmen nach viele Bundestagsabgeordnete wirklich um die Mitgliedschaft bemühten eine noch bessere. Die Wirkung des Gremiums wird dabei angesichts der begrenzten gesetzgeberischen Zuständigkeiten natürlich auch die eines dauernden Signals sein – des Signals nämlich, dass die Netzpolitik ähnlich der Umweltpolitik in den 80er Jahren nicht mehr einfach wegzudiskutieren sein wird.
Aber der Ausschuss kann mehr als nur das erreichen. Er wird zwar einerseits bei nahezu allen Gesetzesvorhaben nur mitberatend agieren – andererseits wird er bei jedem das Internet betreffende Thema zu beteiligen sein. Hierin liegt trotz aller Unkenrufe eine große Chance: Abseits der in anderen Ausschüssen festgelegten Perspektive der Wirtschafts-, Innen-, Justiz- oder Infrastrukturpolitik können sich die Abgeordneten den verhandelten Themen hier frei nähern und sehen sich keinem „Spiegel-Ministerium“ gegenüber, dessen politische Agenda – je nach politischer Sicht – zwingend gestützt oder bekämpft werden müsste.
Und: Der Ausschuss führt fast zwangsläufig dazu, dass sich der politische „Expertenpool“ in der Netzpolitik vervielfacht; dass also viel mehr Politiker sich täglich mit dem beschäftigen, was ihre Wähler rund um das Internet bewegt. Damit allein wäre schon viel von dem erreicht, was noch vor vier Jahren als kaum vorstellbar gelten musste.
Der Erfolg des Ausschusses wird daher vor allem von seinen Mitgliedern, deren Fachkompetenz, ihrem Engagement und vor allem ihrer Unabhängigkeit abhängen. AIDA könnte ein Beispiel für mehr Sach- und weniger Parteipolitik und gerade deshalb am Ende ein Erfolg werden. Er könnte ein ständiges Forum bieten für echte Experten und detailliertere Diskussionen zu Netzthemen. Und er dürfte zum Profilierungsfeld für viele jüngere Politiker werden.
Es ist ein beliebtes Bonmot der politischen Diskussionen um die Netzpolitik, dass man nicht auf die Risiken fokussieren, sondern auf die Chancen schauen sollte. Nichts anderes gilt für den Internetausschuss.
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