Derzeit verhandeln CDU/CSU und SPD im Rahmen der Koalitionsgespräche auch über die Eckpunkte der künftigen Digitalpolitik. Ein Ergebnis scheint bereits gefunden zu sein. Das Risiko, für fremde Rechtsverstöße über das eigene WLAN haften zu müssen, soll gesenkt werden. Im Sommer war ein ähnlicher Vorschlag des Bundesrates noch gescheitert. Können also Betreiber von freien WLAN-Initiativen, Cafés, Konferenzen – vor allem aber auch Privatnutzer, die ihr WLAN Dritten zugänglich machen künftig aufatmen? Für eine pauschale Entwarnung ist es sicher zu früh. Hierzu wird man konkrete Gesetzesvorschläge abwarten müssen. Der jetzige Vorstoß ist indes ein guter Anlass, sich genauer anzuschauen, was die Gerichte heute überhaupt von WLAN-Betreibern fordern.
Haftung privater WLAN-Betreiber
In der Praxis der Gerichte geht es in der Regel um die Frage, wann ein privater WLAN-Betreiber für Urheberrechtsverstöße (etwa über Musiktauschbörsen) haftet, die jemand anderes über das eigene WLAN begangen hat. Im Falle einer Rechtsverletzung kommt der Anwalt des Rechtsinhabers nämlich stets auf den Anschlussinhaber zu, der damit immer erster Ansprechpartner für eine Abmahnung ist.
Eine typische Konstellation der Gerichtsverfahren ist die Nutzung des WLANs mit Wissen des Anschlussinhabers – z. B. durch Familienmitglieder. Der Bundesgerichtshof erwartet hier vom Anschlussinhaber, dass vor allem Minderjährige über die Rechtsverletzungen in Tauschbörsen aufgeklärt werden und die illegale Nutzung untersagt wird. Die in früheren Urteilen teilweise verlangte Errichtung technischer Hürden, um das Verbot tatsächlich durchzusetzen, ist erst dann erforderlich, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind im Internet illegale Inhalte nutzt. Diese können je nach Alter und Situation darin bestehen, dass das Kind den Computer nur mit einem eingeschränkten Nutzerkonto verwenden darf oder dass eine installierte Firewall den Zugriff auf Tauschbörsen verhindert. Wenn die Eltern technisch dazu nicht in der Lage sind, kann auch die Hinzuziehung fachkundiger Hilfe erforderlich sein. Diese Rechtsprechung gilt auch für volljährige Kinder oder andere Haushaltsangehörige, wie z.B. das OLG Köln klargestellt hat.
Die zweite wichtige Konstellation betrifft Fälle, in welchen das private WLAN durch unberechtigte Dritte für illegale Zwecke genutzt wird. Hier hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass der Anschlussinhaber haftet, wenn er nicht die vom WLAN-Router bereitgestellte Verschlüsselungsmöglichkeit für das Funksignal nutzt. Stand der Technik ist dabei WPA oder noch besser WPA2. Ältere Standards gelten heute als nicht mehr sicher. Der Bundesgerichtshof fordert zudem, ein persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort für das WLAN zu wählen. Ein jüngeres Urteil hält es zwar für ausreichend, das vom Internetanbieter voreingestellte, individuelle Passwort beizubehalten. Um sicher zu gehen, sollte man es aber trotzdem ändern. Konkrete Tipps dazu geben das 1&1 Blog und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik.
Haftung gewerblicher WLAN-Betreiber
Für Diskussionen hat in der Vergangenheit unter anderem die Frage gesorgt, wie ein Café- oder Hotelbetreiber für Rechtsverstöße seiner Kunden haftet, wenn er ihnen ein WLAN zur Verfügung stellt, ohne dass die Kunden sich identifizieren müssen. Für diese Fälle gibt es keine abschließende obergerichtliche Rechtsprechung. Das Landgericht Frankfurt hält beisipelsweise einen Hinweis auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften für ausreichend. Wenn der Internetzugang von vornherein nur beschränkt zur Verfügung gestellt wurde (z. B. zum Versand von E-Mails oder anderen beruflichen Zwecken), müsse ggf. nicht einmal diese Aufklärung erfolgen. Dem gegenüber hatte jedoch das Landgericht Hamburg die Hürde höher gelegt und entschieden, dass zumindest die für Filesharing erforderlichen Ports zu sperren sind. Abschließende Anforderungen hat es aber nicht definiert. Die oben geschilderten Aussagen des Bundesgerichtshofs zu privaten WLAN-Betreibern sind auf diese Konstellationen wohl allenfalls bedingt übertragbar, sodass einiges an Rechtsunsicherheit besteht. Einige Betreiber sind aufgrund der bestehenden Risiken daher dazu übergegangen, keinen offenen WLAN-Zugang mehr anzubieten.
Was will die Politik ändern?
Ausgangspunkt der aktuellen politischen Überlegungen ist nun, dass WLAN-Betreiber in den Genuss der sog. Haftungsprivilegierung für Internetzugangsanbieter (§ 8 TMG) kommen sollen. Internetzugangsanbieter haften danach prinzipiell nicht für Verstöße Dritter, weil sie lediglich Datenpakete transportieren, ohne selbst Einfluss auf die Inhalte nehmen zu können. Bereits heute dürfte diese Regelung Anwendung finden, wenn ein Telekommunikationsunternehmen etwa einen WLAN-HotSpot anbietet. Für die oben skizzierten Fälle von WLAN-Betreibern in Cafés und Hotels könnte eine Rechtsänderung jedoch die notwendige Klarheit bringen.
Von der Rechtsprechung ist nämlich bislang nicht entschieden, ob sich auch private WLAN-Betreiber oder eben Cafés und Hotels auf die Haftungsprivilegierung berufen können. Darüber, wie eine Erweiterung des Anwendungskreises konkret aussehen kann und welche Einschränkungen man am Ende wohl doch machen wird, herrscht auch in den Koalitionsverhandlungen offenbar noch keine Klarheit. Hier darf man mit Spannung die ersten Gesetzentwürfe erwarten.
Für das private WLAN heißt es: immer zuverlässig absichern und Mitbenutzer, vor allem Kinder, über den Umgang mit Tauschbörsen und Streamingportalen aufklären und rechtswidrige Nutzungen untersagen.
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