Herr Dr. Nick, Sie waren 15 Jahre lang Investmentbanker in Frankfurt – seit September sind Sie Mitglied des Bundestages. Graut Ihnen nicht vor den langwierigen Entscheidungsprozessen in der Politik, die sich über Jahre hinziehen können?
Ich bin ja kein politischer Seiteneinsteiger, sondern bereits seit meiner Schülerzeit ehrenamtlich in der Politik engagiert, nicht zuletzt – auch neben meiner beruflichen Tätigkeit – seit über 15 Jahren als Kreistagsmitglied in meiner Westerwälder Heimat. Insofern sind mir politische Entscheidungsprozesse durchaus vertraut.
Es scheint mir aber auch eine wichtige Aufgabe, das wechselseitige Verständnis von Wirtschaft und Politik zu verbessern, gerade was die unterschiedlichen Anforderungen an Entscheidungsprozesse betrifft. Hier müssen wir sicher auch ein Stück Sprachlosigkeit überwinden – und wenn ich da als „Grenzgänger“ mit konkreten Erfahrungen auf beiden Seiten dazu einen Beitrag leisten kann, wäre ich schon ganz zufrieden.
Sie haben in den vergangenen Monaten im Zuge Ihres Wahlkampfs als Direktkandidat 100 Orte in Ihrem Wahlkreis besucht und mit den Menschen vor Ort geredet. Was waren die dominierenden Themen, was nehmen Sie mit nach Berlin?
In einer ländlich geprägten Region stehen natürlich traditionell Fragen der Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur sehr stark im Vordergrund. Es ist aber schon auffällig, dass der Zugang zu „schnellem Internet“, also einer flächendeckenden Breitband-Versorgung, mittlerweile praktisch den gleichen Stellenwert hat – und zwar vor allem aus der Sicht von mittelständischen Unternehmen und Selbständigen als kritischer Standortfaktor.
Die Folgen des demographischen Wandels beschäftigen die Menschen ebenfalls unter vielfältigen Gesichtspunkten. Das geht von verbesserten Rahmenbedingungen für Familien über neue Wohnformen für Senioren bis hin zur Belebung der Ortskerne. Aber auch der einsetzende Fachkräftemangel in vielen Bereichen ist ein Thema – nicht nur in Handwerk und Industrie, sondern zum Beispiel auch in der Pflege.
Ein wichtiges wirtschafts- und steuerpolitisches Thema der nächsten Legislatur dürften sog. Steuervermeidungsmodelle internationaler Konzerne werden. Mit solchen Modellen können global agierende Unternehmen ihre Steuerlast durch Gewinnverschiebung – legalerweise! – massiv senken. Sehen Sie hierin eine politische Aufgabe? Kann Berlin hier überhaupt etwas tun oder muss Brüssel handeln?
Wer in Deutschland wirtschaftlich aktiv ist, soll hier grundsätzlich auch in angemessenem Umfang Steuern zahlen, denn sonst kommt es zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen. Deshalb ist auch einem überzogenen und aggressiven Ausnutzen von Unterschieden in den Steuersystemen der verschiedenen Länder entgegenzuwirken.
Dies lässt sich aber allein auf nationaler Ebene kaum sinnvoll erreichen, sondern erfordert die Zusammenarbeit auf zwischenstaatlicher Ebene ebenso wie in der EU. Auch durch das deutsche Engagement gemeinsam mit einigen Partnern steht die Frage eines gemeinsamen Vorgehens gegen überbordende internationale Steuergestaltung jetzt ganz oben auf der Tagesordnung der Beratungen der G 8, der G 20, dem Internationalen Währungsfonds und der OECD – und nur auf dieser Ebene werden sich Lösungsansätze erreichen lassen, die in ihrer Wirkung letztlich auch Bestand haben.
Kommen wir noch zur Netzpolitik. Das Thema hat in den vergangenen vier Jahren ohne Frage an Bedeutung gewonnen. Gleichwohl konstatieren die meisten Analysen, dass die Netzpolitiker in allen Fraktionen am Ende von Debatten in der Regel gegenüber klassischen Fachressorts, etwa Innen- oder Rechtspolitik den Kürzeren ziehen. Wie lässt sich der Einfluss der Netzpolitiker stärken?
Netzpolitik ist ein klassisches Querschnittsthema – auch wenn dies leider von zu vielen Entscheidungsträgern immer noch nicht als solches verstanden wird. Das ist zum Teil auch eine Generationsfrage – aber nicht nur. Letztlich kommt es darauf an, ob man das Internet nur als Hort von abzuwehrenden Gefahren sieht oder zu erkennen bereit ist, dass das Internet eine umfassende Veränderung der Lebenswirklichkeit bewirkt und dass wir uns den Chancen – etwa im Bereich der digitalen Wirtschaft - aber auch den Risiken dieser Entwicklung ebenso umfassend stellen müssen. Hier hat die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ in der vergangenen Wahlperiode sicher einen wichtigen Beitrag geleistet, aber auf diesem Weg müssen wir fortfahren. Dafür wird eine stärkere institutionalisierte Verankerung der Netzpolitik als Querschnittsfunktion in Regierung und Parlament auf Dauer unverzichtbar sein.
Zu guter letzt: Sie waren schon vor Ihrer Wahl in den Bundestag sehr aktiv in allen großen sozialen Netzwerken. Wo sehen Sie den Mehrwert von Social Media in der politischen Kommunikation, wo bleibt der direkte Kontakt unersetzlich?
Twitter und Facebook bieten natürlich früher ungeahnte Möglichkeiten zum unmittelbaren Kontakt und Dialog zwischen Bürgern und Politikern. Dies ist ein deutlicher Mehrwert, nicht zuletzt, weil man über die traditionellen Medien, etwa die Lokalzeitungen, nur noch einen Bruchteil der Haushalte erreichen kann und über regionale Politik dort nur noch wenig berichtet wird. Auch die klassischen politischen Veranstaltungsformate sind kaum noch geeignet, Menschen wirklich zu erreichen. Allerdings erreicht man über Social Media vorrangig bestimmte Generationen und Zielgruppen; und die Kommunikation dort funktioniert vor allem dann, wenn man sich bereits einmal persönlich kennengelernt hat – jetzt aber zum Beispiel über Facebook kontinuierlich in Kontakt bleiben kann, was früher in vielen Fällen so nicht möglich gewesen wäre.
Deshalb ist insbesondere in der Erstansprache der persönliche Kontakt durch nichts zu ersetzen: neben zahlreichen Besuchen bei mittelständischen Unternehmen, sozialen Einrichtungen, kulturellen Veranstaltungen und fröhlichen Festen habe ich im Rahmen meiner Ortsbesuche sicher etwa 5.000 Haustürbesuche gemacht. Auch in Zukunft wird daher neben dem Dialog über Social Media für mich das Angebot von Bürgersprechstunden im Wahlkreis eine wichtige Rolle spielen.
Zur Person:
Dr. Andreas Nick MdB, Jahrgang 1967, war nach Studium und Promotion an der WHU in Vallendar über 15 Jahre im Corporate Finance-Geschäft für mehrere internationale Banken in Frankfurt und London tätig. 2005/6 erwarb er den Abschluss als "Master of International Public Policy" an der Paul H. Nitze School of Advanced International Studies (SAIS) der Johns Hopkins University in Washington DC und wurde 2012 zum Professor für Corporate Finance an der Frankfurt School of Finance & Management berufen. Im September 2013 wurde er als CDU-Direktkandidat im Wahlkreis 205 Montabaur mit 49,3% der Stimmen erstmals in den Deutschen Bundestag gewählt.
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