Am 22. September 2013 wird der 18. Deutsche Bundestag gewählt. Das Internet als Wahlkampfthema hat dabei mehr Bedeutung als jemals zuvor. Netzpolitik mag zwar noch nicht wahlentscheidend sein, doch keine Partei kann es sich leisten, kein netzpolitisches Konzept zu haben. Und nicht zuletzt: Das Internet spielt als Kommunikationsplattform im Wahlkampf der Parteien und jedes einzelnen Bundestagskandidaten eine kaum zu überschätzende Rolle. Im 1&1 Blog setzen wir uns in loser Folge in Artikeln und Interviews mit der Bundestagswahl und den verschiedenen Facetten der Netzpolitik auseinander – wir schauen in die Wahlprogramme und sprechen mit den netzpolitischen Gesichtern der verschiedenen Parteien. Und wir freuen uns auf Ihr Feedback! Nach Manuel HöferlinLars Klingbeil und  Michael Kretschmer sprechen wir heute mit Dorothee Bär, der stellvertretenden Generalsekretärin der CSU und Vorsitzenden des CSU-Netzrates:

Frau Bär, Ihr Partei- und Bundestagskollege Norbert Geis hat kürzlich angeregt, dem britischen Vorbild zu folgen und Pornografie im Internet von Internetprovidern blockieren zu lassen und nur auf ausdrücklichen Wunsch freizuschalten. Ihre Ablehnung zu diesem Ansatz haben Sie auf Twitter umgehend kundgetan. Was stört Sie an den Überlegungen?

Solche Vorschläge klingen immer ein bisschen nach „Wenn mir was nicht gefällt, verbiete ich es einfach und dann verschwindet es von alleine“. Das ist aber unsinnig. Erstens können solche Sperren immer relativ leicht umgangen werden, auch wenn das manche nicht wahrhaben wollen und zum anderen mache ich Verbotenes gerade für Jugendliche ja erst recht interessant.

Ich bin, was die Einschränkung der Freiheit des Internets angeht, sehr empfindlich und finde eine solche Sperrung nicht nur absolut unverhältnismäßig, sondern befürchte, dass, wenn wir mit der Pornografie anfangen, in ein paar Monaten dann vielleicht schon die nächsten Vorschläge kommen, was wir denn noch alles sperren könnten. Ich möchte diese Büchse der Pandora nicht öffnen.

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Guido Brinkel
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Wo liegen denn stattdessen die Optionen beim Jugendschutz im Netz? Der letzte Versuch, die gesetzlichen Grundlagen zu reformieren ist ja Ende 2010 auf Länderebene nach großer öffentlicher Kritik ziemlich spektakulär gescheitert. Seitdem ist es still geworden um den so genannten „Jugendmedienschutzstaatsvertrag". Gehen der Politik die Ideen aus?

Nein. Wir diskutieren sogar sehr intensiv darüber. Beispielsweise auch, wenn es um die Frage von Online Games geht, die völlig unabhängig von einem Trägermedium sind und die auch nach dem Release noch weiterentwickelt werden können. Auch das Thema Mobile Games wird immer wichtiger und erschwert es beispielsweise Eltern, darauf zu achten, was ihre Kinder „vor dem Computer“, wie man früher so schön sagte, alles machen. Diese Diskussion ist leider nicht immer sehr einfach, weil die Kompetenzen und Verantwortungsbereiche zwischen Bund und Ländern aufgeteilt und damit entsprechende Abstimmungsprozesse verbunden sind.

Aktuell bewegt netzpolitisch vor allem der Spähskandal die Gemüter. Mal abgesehen von Forderungen nach internationalen Datenschutzabkommen zeigt sich die Politik bislang allerdings ziemlich ratlos. Zeigen uns Tempora  und Co. etwa gerade die Grenzen der Handlungsspielräume nationaler Regierungen auf?

Dorothee Bär, MdB| Fotograf: Tobias Koch

Dorothee Bär, MdB| Fotograf: Tobias Koch

Das ist in der Tat ein Thema, das viele von uns so nicht erwartet hatten, das aber in der Tat auch zeigt, dass so grundsätzliche und bislang selbstverständliche Konzepte wie das der Privatsphäre neu definiert werden müssen und dass vieles nicht mehr selbstverständlich ist, von dem wir bisher eine unumstößliche Allgemeingültigkeit angenommen hatten. Daraus ergibt sich ein immenser politischer aber auch ein gesellschaftlicher Auftrag: Wir müssen folgende Fragen beantworten: Wo sind unsere Grenzen? In welchem Verhältnis stehen Freiheit und Sicherheit im digitalen Zeitalter? Was von dem, was technisch möglich ist, darf auch angewandt werden? In welchem Verhältnis stehen wir zu unseren internationalen Freunden und Partnern?

Wer noch davon überzeugt war, das Internet sei nur eine Parallelwelt, in der man sich kostenlos Filme ziehen und Katzenbilder ansehen könne, der weiß spätestens jetzt um die gesellschaftlichen Auswirkungen  der digitalen Revolution und dass es sich tatsächlich um eine ebensolche handelt. 

Sie sind eine der intensivsten Nutzerinnen des Social Web im Bundestag, haben unter anderem fast 15.000 Follower auf Twitter. Mal abgesehen von Ihrem direkten Draht zu Thomas Müller vom FC Bayern - wo liegt der Mehrwert von Social Media für Ihre politische Arbeit und wo sehen Sie Grenzen des Mediums?

Der direkte Draht von zu Thomas Müller besteht leider gar nicht, weil der nämlich trotz meiner mehrfachen Aufforderung an den offiziellen Account des FC Bayern noch immer nicht bei Twitter zu finden ist.

Aber im Ernst: Zu den größten Vorteilen zähle ich eine völlig veränderte Kommunikationshierarchie und die Möglichkeit, mit Menschen in Kontakt zu kommen, zu diskutieren, sich auszutauschen. Das ist gerade auch für Politikerinnen und Politiker enorm wichtig, um regelmäßig unmittelbares Feedback aus der Bevölkerung zu bekommen und die Menschen auf der anderen Seite immer eine Chance haben, ihre Vertreterinnen und Vertreter direkt zu kontaktieren. Die für eine Demokratie enorm gefährliche Lücke zwischen Politik und Volk lässt sich mit den neuen Kommunikationsmöglichkeiten wesentlich besser vermeiden, als das früher der Fall war.

Mir ist allerdings das Gespräch von Angesicht zu Angesicht immer noch das Wichtigste. Und wer glaubt, durch die digitale Kommunikation müsse man nicht mehr zu den Leuten „raus“ gehen, der ist als Politikerin oder Politiker im Jahre 2013 ebenso ungeeignet wie jemand, der glaubt, das Internet sei nur ein Hype, der wieder verschwinden werde. Wenn wir verstehen, dass Online und Offline nicht mehr zu trennen sind, dann werden wir auch weder das Eine noch das Andere vernachlässigen. Denn Verschmelzung bedeutet nicht Ersatz, sondern die Entstehung von etwas Neuem, auf das sich einzulassen unser aller Aufgabe ist.

Abseits der Medien- und Netzpolitik: Welche Themen bewegen aus Ihrer Wahrnehmung die Menschen vor der Bundestagswahl 2013 besonders, welche werden am Ende die Wahl entscheiden?

Wahlentscheidend wird sicher ein Gesamtangebot sein, das man den Menschen präsentiert und ein Verständnis von der Gestaltung einer Zukunft, die immer schneller zur Gegenwart wird, weil Neuerungen und Veränderungen immer schneller und auch immer unmittelbarer in unseren  Lebensalltag eindringen. Auch das Gefühl, das man den Menschen vermittelt, wird wichtig sein: Redet man alles schlecht und schürt Ängste oder signalisiert man den Menschen, dass man sich auf einem guten Weg befindet und man mit Fleiß, Mut und Optimismus die Zukunft aktiv gestalten möchte – und zwar gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes, wie es auf einem Plakat der Bundeskanzlerin zu lesen ist.

Wenn ich jetzt ein bestimmtes Thema herausgreifen müsste, würde ich die Familienpolitik nennen. Dass dieses Thema so wichtig für die Menschen ist, liegt meiner Meinung nach daran, dass sie in einer sich immer schneller verändernden Welt die Sicherheit einer Familie umso mehr benötigen. Unter Familie verstehe ich dabei besonders ein Konzept, das auch sehr viel mit der eigenen Identifikation, einem Gefühls des „zu Hause Seins“ und einem Verantwortungsbewusstsein zu tun hat. In einer Familie werden die Grundkompetenzen menschlichen Miteinanders vermittelt, mit denen eine Gesellschaft steht und fällt.

Zur Person:

Dorothee Bär wurde 1978 geboren und ist seit 2002 Mitglied des Deutschen Bundestags. Sie ist familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und Mitglied des Kulturausschusses. Sie ist stellvertretende Generalsekretärin der CSU und Vorsitzende des CSU-Netzrates und des CSUnet. Dorothee Bär ist unterfränkische Patriotin und begeisterte Twitternutzerin @dorobaer.

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