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Es ist nicht gerade die spektakulärste netzpolitische Schlagzeile, die uns am 3. Mai, wenige Tage vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein aus dem Kieler Innenministerium erreichte: Schleswig-Holstein vergibt erste Lizenzen an private Sportwettenanbieter. Was auf den ersten Blick wie ein verwaltungsrechtliches Standardvorgehen klingt, ist in Wahrheit nichts anderes als eine föderalistische Revolution. Erstmals schert ein Bundesland in Fragen der Netzregulierung aus dem tradierten Gefüge gemeinsamer Staatsverträge aus und geht seinen eigenen Weg - nicht nur auf dem Papier, sondern auch ganz praktisch. Worum es hierbei grundsätzlich geht, haben wir bereits vor einigen Monaten erläutert und damals die Frage gestellt: Wird Kiel das deutsche Las Vegas?

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Guido Brinkel
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Bei oberflächlicher Betrachtung lautet die Antwort heute also: Ja! Die Kieler Regierung hat, im Gegensatz zu 15 anderen Staats- und Senatskanzleien, die massiven Bedenken der EU-Kommission hinsichtlich staatlicher Monopole sehr ernst genommen und ein liberaleres, europarechtskonformes Glücksspielrecht eingeführt, das private Sportwetten- und Casino-Anbieter – unter strengen Auflagen – zulässt. Glaubt man der Ankündigung des Ministeriums wird es nicht bei den drei jetzt vergebenen Lizenzen bleiben, sondern es dürften weitere folgen.

Doch damit sind die Probleme längst nicht vom Tisch – sie gehen eigentlich erst los und zwar für Anbieter und Nutzer gleichermaßen. Denn das ist die praktische Seite des netz- und medienpolitischen Föderalismus in Deutschland: ein schleswig-holsteinisches Landesgesetz gilt zunächst einmal eben nur für Schleswig-Holstein.

Und was heißt das für Online-Angebote? Dass Anbieter ihren Sitz in Schleswig-Holstein haben müssen? Dass die Server dort stehen müssen? Dass eine Lizenz aus Schleswig-Holstein ausreicht? Dass Nutzer solcher Angebote in Schleswig-Holstein wohnen müssen? Dass sie sich nur bei der Tippabgabe dort aufhalten müssen? Und wie sieht es mit der Werbung für solche lizenzierten Angebote aus? Die Wahrheit ist: Niemand weiß das wirklich – kein Politiker, kein Anbieter, kein Nutzer und nicht einmal die Gerichte. Es gibt für die eingetretene Situation schlicht kein Vorbild. Das Glücksspielgesetz im hohen Norden wird damit für alle Beteiligten selbst zum rechtlichen Glücksspiel mit hohen Einsätzen.

Dies wissen und darauf bauen die Landesregierungen der restlichen Länder, die ihren gemeinsamen Glücksspielstaatsvertrag trotz der Bedenken der EU-Kommission und trotz der zu erwartenden erneuten Nichtigerklärung durch den  Europäischen Gerichtshof unbedingt durchsetzen wollen – weil er ihnen Einnahmen in Milliardenhöhe sichert.

Geht das also überhaupt – ein schleswig-holsteinisches Landesgesetz für den Online-Sektor? Formal ja – praktisch könnte es auf eine politische Machtprobe hinauslaufen, sollten künftig Aufsichtsbehörden eines Bundeslandes Anbieter mit gültiger Lizenz eines anderen Bundeslandes verfolgen. Noch vertrauen die Landesregierungen freilich auf das Funktionieren der alten politischen Prinzipien; und hoffen auf eine neue SPD-geführte Landesregierung, nachdem der SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner bereits im vergangenen Jahr seine Sympathie für den gemeinsamen Staatsvertrag signalisiert hatte.

Doch die Erfahrungen mit dem gescheiterten Jugendmedienschutzstaatsvertrag und der Erfolg der Piratenpartei bei den jüngsten Landtagswahlen sollten als Warnsignal nicht überhört werden - die Landtage sind heute netzpolitisch durchaus sensibler als so mancher Chef der Staatskanzlei. In Wahrheit wird das Glücksspielrecht mit all seinen Absurditäten daher auch zum Funktionstest des netzpolitischen Föderalismus schlechthin – im Moment lautet das Ergebnis: nicht bestanden.

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