Man mag es gerne als Beleg der neuen netzpolitischen Sensibilität sehen: Obwohl das neue Internetprotokoll IPv6 im Surfalltag der Internetnutzer noch nicht wirklich angekommen ist, findet es sich mittlerweile verlässlich auf der politischen Tagesordnung. Die Grundstimmung dort hat teils regelrecht alarmistische Züge angenommen. Auch wenn Vergleiche mit der Kernspaltung erfreulicherweise eher die Ausnahme sind – IPv6 wird vor allem aus der Perspektive des Datenschutzes derzeit als große Bedrohung dargestellt. Auch deshalb hat der Bundesbeauftragte für Datenschutz für heute zu einer Konferenz zum Thema nach Berlin geladen.
Zum Hintergrund: Wer heute einen privaten DSL-Anschluss unterhält bewegt sich im Netz auch bei der Nutzung von Flatrate-Tarifen in der Regel nicht permanent mit derselben „statischen“ IP-Adresse, sondern bekommt bei jeder manuell oder automatisch – in der Regel ca. alle 24 Stunden – vorgenommen Verbindungstrennung am Router eine neue, „dynamische“ Adresse zugewiesen. Das hat heute in erster Linie technische Gründe, denn dynamische Adressen ermöglichen eine effektivere Verwaltung des derzeit ja knappen Adressbestands. Ein Nebeneffekt dieser dynamischen Vergabe ist aber auch, dass ein einzelner Nutzer eben nicht einfach aufgrund seiner IP-Adresse identifizierbar ist.
Die Knappheitsproblematik entfällt künftig mit IPv6. Gleichwohl haben wir als 1&1 wie auch einige andere Telekommunikationsunternehmen bereits klargestellt, dass DSL-Kunden weiterhin dynamisch vergebene IP-Adressen erhalten können. Hierfür gibt es sehr differenzierte Szenarien, die wir in einem früheren Artikel des Kollegen Anders Henke bereits dargestellt haben. Die Befürchtungen gegenüber den Telekommunikationsanbietern sind also unbegründet. Wer auf dynamische IP-Adressen setzen will, wird dies auf jeden Fall tun können.
Allerdings können und müssen sich besonders datenschutzsensible Nutzer bei IPv6 auch selbst absichern. Denn IPv6 besteht technisch gesehen aus einem vom Provider vergebenen Adressteil (Präfix) und einem weiteren Adressteil, für dessen Vergabe nicht der Provider, sondern das Betriebssystem des Endgeräts entscheidend ist. Auch dieser Teil ermöglicht potenziell Identifizierbarkeit – ganz unabhängig von der Vorgehensweise der Zugangsprovider. Wer dies verhindern will wird sogenannte Privacy Extensions nutzen. Wie das in der Praxis funktioniert erfährt man zum Beispiel hier.
Schließlich: Dass die Debatte um IPv6 und den Datenschutz bislang häufig eine höchst oberflächliche Betrachtung ist, dass IPv6 und statische IP-Adressen auch die umgekehrte Wirkung von Datensparsamkeit und größerer Nutzerhoheit über die eigenen Daten haben könnten, dass also die Position der Datenschützer zu IPv6 noch erkennbar aus der Denke der IPv4-Welt heraus geboren ist – all dies hat Lutz Donnerhacke kürzlich bei heise online schön auf den Punkt gebracht.
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