Niemand will sie zahlen: Eine neue Leistungsschutz-Milliardenabgabe auf Internet-Nutzung. Jetzt formiert sich eine bisher einmalige Allianz gegen eine Zwangsgebühr. Nach Verbrauchern und Internet-Unternehmen machen deutsche Unternehmen geschlossen Front gegen die Pläne. Droht eine Leistungsschutz-Wut zum nächsten Rohrkrepierer für Lobbyisten zu werden?
Und der Einfluss der Verleger ist zweifellos immer noch groß. So überzeugten ihre Lobby-Profis unsere Politiker, ein Leistungsschutzrecht für Verlage zu versprechen.
Wer die neue Abgabe zahlen soll, ließen die Zeitungsverleger zunächst im Dunkeln. Erst hieß es, die Verlage wollten sich mit einer Art Suchmaschinen-Steuer am 1,5 Milliarden Euro schweren Google-Werbekuchen bedienen. Dann fürchteten die Internetnutzer, sie müssten für ihren Internet-PC eine zusätzliche LEZ-Gebühr an eine Leistungsschutz-Einzugs-Zentrale zahlen. Die Verlage dementierten - und wurden endlich konkreter: Die Gebühr solle nur beim gewerblichen Betrachten ihrer Webseiten erhoben werden. Dann der Hammer: Weil praktisch jedes Unternehmen von den Verlagswebseiten wirtschaftlich profitiere, sollen Unternehmen für jeden Büro PC pauschal eine Abgabe leisten. Jedes deutsche Gewerbe würde so eine Art Presse-Soli für die notleidende Zeitungsbranche beisteuern.
Kein Wunder, dass jetzt die deutschen Unternehmen auf Konfrontation mit den Zeitungsverlegern gehen. Eine seltene Allianz aus Handel, Handwerk und Industrie bezeichnet das Leistungsschutzrecht als „inakzeptabel“. Statt mit Staatshilfe pauschal Geld abzukassieren, könnten die Verlage ihre Webseiten ebenso gut selbst kostenpflichtig machen, wie dies bereits einige tun. Andernfalls, so drohen die Unternehmen, werden sie einfach die Webseiten der Zeitungen auf ihren Routern aussperren.
Aufgeschreckt von der harten Kritik ihrer Anzeigenkunden, schlagen die Verleger nun zurück und bestreiten, jemals „Milliarden“ gefordert zu haben.
Andererseits wird beispielsweise Christoph Keese, Cheflobbyist des Axel Springer Verlages, immer wieder mit Zahlen in dieser Größenordnung zitiert. Und hier hat Keese zumindest Recht, denn viel weniger macht auch wenig Sinn. Um aufgelaufene und erwartete Verluste der Printmedien auszugleichen sowie die der Politik versprochene Qualität und Mannstärke in den Redaktionen zu halten, würde eine jährliche Spende über 50 Euro von jedem der 2 Millionen deutschen Unternehmen wohl kaum reichen. Zumal sich die Verleger auch mit den Urhebern, den Journalisten, einigen müssen; und die fordern bereits die Hälfte vom Erlös. Von 100 Millionen Euro kämen also nur 50 Millionen bei den Verlagen an. Und die müssten abzüglich Verwaltungskosten für die Einzugszentrale unter ca. 7682 Verlagen aufgeteilt werden. Je Verlag blieben bei einer bürokratischen Monsterabgabe von jährlich 100 Millionen Euro durchschnittlich schlappe 500 Euro monatlich übrig – also gerade genug, um eine 480 Euro Kraft zu beschäftigen. Qualitätsjournalismus ließe sich damit sicherlich nicht retten.
Vielleicht wird die Politik am Ende deshalb doch über die Forderung der deutschen Unternehmen nachdenken, die eine Zeitungs-Schutzabgabe ablehnen: „Erforderlich ist dagegen eine offene Diskussion über verbesserte Marktbedingungen der Medienwirtschaft, die innovative und zukunftsfähige Geschäftsmodelle in der digitalen Welt vorantreiben und damit auch die Grundlagen für einen unabhängigen Qualitätsjournalismus der Zukunft sichern.“
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