Haben die besten Journalisten von ARD und dpa versagt und uns ungewarnt in den Abgrund der Finanzkrise stürzen lassen?

Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz haben den Qualitätsjournalismus in ihrer aktuellen Studie "Wirtschaftsjournalismus in der Krise: Zum massenmedialen Umgang mit Finanzmarktpolitik" analysiert. Die Autoren haben hunderte Berichte zur Finanzkrise und dem voran gegangenen Börsen-Hype gelesen und erheben schwere Vorwürfe. Die medialen Aushängeschilder sind ihrer gesellschaftlichen Rolle als kritischer Wächter nicht gerecht geworden:

"Das journalistische Versagen ist in einigen Fällen so eklatant, dass es uns ausgeschlossen erscheint, einfach zur Tagesordnung über zu gehen."

Verantwortung der Medien für kritischere Berichterstattung einzufordern, so wie es die Autoren tun, ist sicher richtig. Schlechter werdende Arbeitsbedingungen in den Redaktionen durch straffes Kostenmanagement, welches Nachdenken zugunsten von Effektivität reduziert, sind nur eine Erklärung für das Manko. Viele Print-Medien führen zudem einen aussichtslosen Wettbewerb: Statt Hintergrundanalysen zu liefern, suchen sie ihr Heil im Wettbewerb mit der Nachrichtengeschwindigkeit des Internets. Eine der Kernthesen der Autoren lautet folglich:

"Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob die Qualitätsmedien ihre Arbeit nicht grundsätzlich falsch gewichten: Die Arbeit an der Aktualität wird viel zu hoch, die Arbeit der Analyse und Erläuterung viel zu gering geschätzt. Im Zweifel erhält das Publikum heute noch schneller noch mehr unverständliche und belanglose Informationen."

Fakt ist, dass auch diese Studie keinen Beleg dafür liefert, dass ein sogenanntes  "Leistungsschutzrecht"  für den Qualitätsjournalismus, wie ihn die großen deutschen Verlagskonzerne nimmer müde fordern, angebracht und zielführend ist. Geklagt haben die Verlage schon lange. Jetzt begründen Verlegerlobbyisten die Notwendigkeit eines neuen Rechts  zum Schutz ihrer Leistung damit, dass ihr bisheriges Geschäftsmodell durch das Internet bedroht wird. Die Werbeeinnahmen von Google seien schon höher, als die Werbeeinnahmen aller Zeitungen zusammen. Deshalb betrügen diese nur ein Bruchteil dessen, was für eine profitable  Internet-Redaktion benötigt wird.

Kein Scherz: Das Defizit der deutschen Verleger sollen nun die deutschen Internet-Nutzer ausgleichen, weil diese ja zu wenig Zeitungen kaufen. Lobbyisten haben das neue Recht sogar schon in den Koalitionsvertrag hineinschreiben lassen. Sofern das Leistungschutzrecht noch in dieser Legislaturperiode in Kraft tritt,  könnten bereits 2012 Leistungsschutz-Nutzungstarife von einer Verleger-Verwertungsgesellschaft definiert werden.

Zahlen sollen den Solidaritätsbeitrag für die deutschen Zeitungen zunächst nur gewerbliche Nutzer, also deutsche Unternehmen, Selbständige und Freiberufler. Über die Höhe der Leistungsschutz-Beiträge ist bisher nichts bekannt. Damit die Presse-Abgabe aber im Verhältnis zu den derzeitigen Print- und Online-Umsätzen eine gewisse Relevanz erhält, müsste sie schon in einer Größenordnung von jährlich  mindestens 500 bis 800 Millionen erhoben werden. Wie der Geldsegen dann verteilt wird, ist ebenfalls noch unklar - auch, ob der Gesetzgeber überhaupt Qualitätsmaßstäbe an diejenigen Zeitungen stellt, die in den Genuß der Leistungsschutz-Ausschüttung kommen. Es wäre dann zu wünschen, dass diese Millionen nicht wieder wie in Zeiten der Dot-Com-Krise in erfolglosen Internet-Geschäftsmodellen versenkt werden. Und die daraus entstehenden Verluste zu einem weiteren Personalabbau im Qualitätsjournalismus führen.

Auch zum Thema:

http://carta.info/23945/wirtschaftsjournalismus-in-der-krise-ahnungslos-und-meinungsschwach/

http://www.spiegelfechter.com/wordpress/2101/wachhunde-oder-lemminge-der-journalismus-und-die-finanzkrise

http://www.indiskretionehrensache.de/2009/12/verleger-vs-it-industrie-das-nachste-schlachtfeld-netz-neutralitat/

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