Vor wenigen Tagen erst war zu lesen, dass die Koalition von Internetsperren im Kampf gegen Kinderpornographie im Internet abrückt und nunmehr auf „Löschen statt Sperren“ setzt.  Die Bundesjustizministerin erklärte dazu bündig: „Endlich. Netzsperren sind vom Tisch.

Wer nun das Gesetzesvorhaben tot wähnte, hat am gestrigen Tage eine Überraschung erlebt. Der Bundespräsident hat das Zugangserschwerungsgesetz unterzeichnet. Mit dessen Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt wird das wieder aufgelebte Gesetz nun in Kraft treten.

(K)Ein STOPP-Schild für das Zugangserschwerungsgesetz (Foto: dpa)

Grundlage für die Entscheidung des Bundespräsidenten dürfte die unklare Stellungnahme der Bundesregierung gewesen sein, in der diese laut Spiegel erklärt habe, man werde sich "auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes" für die Löschung derartiger Seiten einsetzen, Zugangssperren aber nicht vornehmen. Diese Äußerung war in sich widersprüchlich - denn: Das Zugangserschwerungsgesetz hat mit dem Löschen von kinderpornographischen Inhalten nichts zu tun. Es regelt nur das virtuelle STOPP-Schild. Eine klare Distanzierung vom Zugangserschwerungsgesetz konnte der Bundespräsident der Stellungnahme der Bundesregierung also nicht entnehmen.

Dem Bundespräsidenten kann hier kein Vorwurf gemacht werden. Er hat nur eine eingeschränkte Prüfungskompetenz. Die vollständige Überprüfung eines Gesetzes auf Verfassungsmäßigkeit ist nun einmal Aufgabe des Verfassungsgerichts. So hat der Bundespräsident nun das Gesetz unterzeichnet und der Bundesregierung mitgegeben, sie möge doch jetzt „auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes Kinderpornographie im Internet effektiv und nachhaltig bekämpfen“.

1&1 hat immer deutlich gemacht, dass Netzsperren nur auf der Basis einer verfassungsrechtlich einwandfreien, gesetzlichen Grundlage überhaupt denkbar sind. Deswegen haben wir eine freiwillige Vereinbarung als nicht möglich angesehen. Das Zugangserschwerungsgesetz genügt aber diesen rechtlichen Anforderungen nicht. Von politischen Bedenken einmal ganz abgesehen.

Das Dilemma ist nun, dass das Zugangserschwerungsgesetz alle Provider zwingen wird, eine Sperrinfrastruktur aufzubauen, obgleich derzeit niemand das Gesetz tatsächlich vollziehen will. Es kann aber nicht richtig sein, dass das Gesetz Provider zur Errichtung einer Infrastruktur zwingt, die gar nicht genutzt werden soll. Die Errichtung von Investitionsruinen kann nicht Sinn eines staatlichen Gesetzes sein. Dem Zugangserschwerungsgesetz müsste also das STOPP-Schild gezeigt werden – in Form eines klaren Aufhebungsgesetzes.

Es wäre der Pleiten und Pannen rund um dieses Gesetzesvorhaben zuviel, wenn die Politik es jetzt auch noch entsprechenden Verfassungsbeschwerden überlassen würde, das Zugangserschwerungsgesetz zu stoppen. Und dass es zu entsprechenden Verfahren auch von Seiten der Access-Provider kommen würde, erscheint sehr wahrscheinlich.

Dokumentation des Interviews zu Netzsperren:

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