Rund drei Millionen kleine und mittelständische Unternehmen betreiben Homepages oder Webhosting in den 1&1 Hochleistungs-Rechenzentren. Viele von ihnen nutzen auf den Webservern auch die Datenbanklösung MySQL. Und selbst 1&1 setzt die Software in vielfältiger Weise ein. Das besondere an MySQL: Es gilt als die populärste Open-Source-Datenbank der Welt. Jetzt steht Datenbank-Gigant Oracle kurz davor, sich MySQL einzuverleiben. Die Community rebelliert, weil sie die kostengünstige und erprobte Alternative MySQL bedroht sieht: In kürzester Zeit haben 20.000 MySQL-Anwender aus aller Welt  - zuletzt ca. 4.000 am Tag - eine Petition des MySQL-Gründers Michael "Monty" Widenius unterzeichnet.

Oracle ist heute schon der absolut erfolgreichste kommerzielle Anbieter von Datenbanken. Der weltweite Marktanteil wird auf 48,9 Prozent beziffert - Tendenz steigend. Die größten Wettbewerber IBM und Microsoft haben es da schwer, den Marktanteil ihrer Datenbanken zumindest zu halten. MySQL, zunächst hauptsächlich von Privatnutzern und Hochschulen genutzt, konnte dagegen die Präsenz auch im Unternehmenseinsatz ausbauen. Sogar SAP lässt sich heute mit MySQL betreiben.

Anfang 2008 wurde die schwedische MySQL AB schließlich von Sun Microsystems für rund eine Milliarde Dollar gekauft. Gut ein Jahr später schickt sich nun der Datenbankanbieter Oracle an, Sun zu übernehmen: Für für rund 7,4 Milliarden Dollar. Ein guter Deal für die Sun-Aktionäre, deren Unternehmen seit Jahren Verluste schreibt und das im Juni 2009 das Geschäftsjahr mit einem Verlust von 2,2 Milliarden Dollar schloss.

Begründet wird dies mit dem Ziel, ein integriertes Angebot aus Datenbank und Server-Hardware zu schaffen, durch das Oracle bereits im ersten Jahr Synergien von 1,5 Milliarden Dollar einstreichen möchte. Marktexperte und Wiwo-Autor Michael Kroker bewertet die Chancen einer Kombination aus Sun-Hardware und Oracle-Datenbank dagegen gering: "Das Synergiepotenzial ist hier nahe Null, schlicht weil Oracle bisher keinerlei Hardware-Aktivitäten im Portfolio hat, die man mit Sun zusammen legen und dadurch Kosten sparen könnte."

Für das klassische Sun-Kerngeschäft mit Servern wird sich zeigen, wie ernst es Oracle mit dem Einstieg in den Hardwaremarkt meint. Zumindest ein Problem besteht dort nicht: eine Konkurrenzsituation im eigenen Haus. Bei MySQL dagegen ist das der Fall. Denn obwohl die Featureliste von Oracle viel länger ist als die von MySQL, macht der Herausforderer dem hochpreisigen Marktführer zu schaffen. MySQL hat sich in den vergangenen Jahren stark verbessert, ist schneller und flexibler geworden.

Oracle versteht sich als Datenbank-Anbieter für Unternehmen aller Größe. MySQL hat am unteren Rand angefangen und sich hochgearbeitet. Die Vorstellung, MySQL sei nur für einfache Websites geeignet, war vor zehn Jahren richtig. Inzwischen aber läuft es auch in Banken, Versicherungen,  Behörden, bei Fluglinien oder Handelsketten. Viele davon auch Oracle-Kunden.

Der Konflikt liegt auf der Hand. Hier die kostenlose Alternative auf dem Vormarsch - da das klassische Kerngeschäft mit ordentlichen Gewinnmargen. Daher rührt wohl auch das Unbehagen vieler MySQL-Anwender, die sich derzeit in Scharen der Online-Petition anschließen oder der Facebook-Gruppe "Save MySQL from Oracle" beitreten.

Dass ausgerechnet IBM als zweitgrößter Anbieter von kommerziellen Datenbanken die Übernahme von MySQL durch Oracle ebenfalls offen befürwortet, bringt die Kritiker noch mehr auf. Sie sehen dies als Beleg, auch Oracles Wettbewerb hege Interesse daran, den unangenehme Konkurrenten aus der Open-Source-Ecke zu zügeln.

Als Reaktion dazu hat Oracle im Dezember zehn Versprechen zu MySQL veröffentlicht. Für 1&1 und alle Webhosting-Anwender darin enthalten ist die wichtige Versicherung, Oracle werde den Support für MySQL fortsetzen und sogar verbessern. Auch die EU-Kommission reagierte positiv. Trotzdem bleiben manche Wettbewerbsrecht-Experten kritisch. Sie sehen in der Pressemitteilung keine juristisch zuverlässige Lösung und keinen förmlichen Vertrag und bemäkeln, dies ziehe keine Auflagen seitens der Kommission nach sich.

Die Protestbewegung scheint sich deshalb nicht beschwichtigen zu lassen und will solange Unterschriften sammeln, bis alle Entscheidungen gefallen sind: in Brüssel, wo zugunsten des Deals zuletzt 59 US-Senatoren ebenso per Brief wie einige hundert Oracle/Sun-Kunden intervenierten, als auch in China und Russland. Jedes dieser Länder hätte noch die Möglichkeit, Oracle weitere konkrete Zugeständnisse abzuverlangen - oder im äußersten Fall (so schade es für die Sun-Aktionäre wäre) den Deal zu blockieren.

Und doch sehen nicht alle MySQL-Gründer die Übernahme so kritisch wie Monty. Ex-MySQL-CEO Mårten Mickos hat sich laut FTD im Oktober für eine schnelle Genehmigung des Kaufs ausgesprochen: „Seiner Ansicht nach droht keine Gefahr im Datenbankmarkt.“  Oracle könnte davon langfristig sogar die Community überzeugen, wenn es seine Committments ernst nimmt und damit MySQL eine sichere Zukunft verschafft.

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