Die Einführung eines gesetzlichen Leistungsschutzrechts für Presseverleger soll die Finanzierung der Aktivitäten der Presse im Internet auf Kosten der Allgemeinheit sichern. Statt überholte Geschäftsmodelle an die digitale Wirklichkeit anzupassen, verlangen die Presseverlage einen staatlich garantierten Artenschutz unter dem Deckmantel der Bewahrung eines „Qualitäts-Journalismus“.

Verbraucher und Unternehmen – so die Argumentation der Verlage – nutzen die verlegerischen Leistungen im Internet für eigene Zwecke aus. Dabei wird verschwiegen, dass die Presseerzeugnisse im Internet durchweg unentgeltlich angeboten werden. Ziel der Verlage ist, möglichst viel Traffic auf ihre Online-Portale im Internet zu lenken, um damit Werbeeinnahmen zu generieren. Internetnutzer sollen dazu möglichst häufig die Artikel der Presseverlage aufrufen. Dies kann unmittelbar oder über Verlinkung zusammen mit einem kurzen Textanschnitt (sog. Snippets) z. B. in Blogs oder bei News-Aggregatoren geschehen. Ein sehr großer Teil des Traffics der Portale wird beispielsweise über Google News generiert. Nach derzeitigem Recht greift eine solche Nutzung in keiner Weise in das Recht der Journalisten als Urheber der Artikel oder in sonstige Rechte ein. Dies hat der Bundesgerichtshof 2003 in seinem zentralen Paperboy-Urteil festgehalten. Auch die Übertragung von Zeitungsinhalten über die Netzinfrastrukturen der Internetzugangsanbieter stellt heute ebenso wenig eine vergütungspflichtige urheberrechtliche Nutzungshandlung dar, wie das Caching oder das Browsen des Internetnutzers durch die Webseiten der Zeitungsverlage. Allerdings könnten die Verlage jederzeit ihren Content bezahlpflichtig machen und damit nur denjenigen die Nutzung erlauben, die einen speziellen Inhalt gegen Entgelt lesen möchten.

Die Presseverlage möchten mit dem von ihnen geforderten Leistungsschutzrecht eine grundsätzliche Abkehr vom Status quo erreichen. Ein eigenes Leistungsschutzrecht würde ihnen - unabhängig von den Rechten der Journalisten -  erlauben, ihre Inhalte zu monopolisieren. Die Presseverleger wollen dabei offenbar keine massenhaften Abmahnungen wie beispielsweise die Musikindustrie verschicken. Ihr Ansatz ist subtiler: Mit staatlicher Unterstützung sollen alle Internetnutzer über ihre Access-Provider oder die benutzten Suchmaschinen zur Kasse gebeten werden. Dies hat Christoph Keese, der Chef-Lobbyist der Springer AG, in einem Kommentar für die Financial Times Deutschland sehr deutlich gemacht – er meinte: „Auch im Internet wird es nicht dabei bleiben, dass DSL-Anbieter, Mobilfunker und Suchmaschinen an der Verbreitung von Journalismus verdienen, während Journalisten und Verlage leer ausgehen.“

Wie würde dies technisch funktionieren? Die Verleger würden großzügig zugestehen, dass ihr gefordertes weitreichendes Leistungsschutzrecht, das sowohl Snippets als – so jedenfalls der Springer-Cheflobbyist Keese – auch Links erfassen könnte, durch gesetzliche Regeln beschränkt wird. Als Ausgleich würden die Verleger wiederum durch gesetzliche Vergütungsansprüche entschädigt. Dadurch entstünde für Nutzer des Internets eine Medienabgabe zugunsten der Presseverleger, die unabhängig von der Nutzung der Inhalte, z. B. über den Internetzugang, gezahlt werden müsste. Vergleichbar der GEZ-Gebühr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk würde ein Solidarbeitrag für die Presse erhoben. Eine Verwertungsgesellschaft der Presseverlage wäre für das Eintreiben des Pressesoli zuständig. Springer Cheflobbyist Keese erwartet ein Milliardengeschäft. Dieses würde allerdings auf dem Rücken aller Verbraucher und Unternehmen gemacht, selbst wenn diese gar nicht daran interessiert sind, den vermeintlichen „Qualitätsjournalismus“ der Presseverleger aufgedrängt zu bekommen.

Dabei ginge es auch anders: Es gibt durchaus intelligente Geschäftsmodelle für das Internet, mit denen sich Geld verdienen lässt. Entweder durch Werbung (bestes Beispiel hierfür ist die Huffington Post) oder durch Micropayment-Angebote, die sich zunehmend verbreiten. So könnten sich Nutzer (z. B. über Kioskmodelle) interessante Inhalte zusammenstellen und für diese Inhalte zahlen.

Die Verleger bleiben hinsichtlich der Einzelheiten ihrer Forderungen nebulös. Sie weigern sich beständig, konkrete Informationen auf den Tisch zu legen. So drängt sich der Eindruck auf, dass sie versuchen, im stillen Kämmerlein Fakten zu schaffen, bevor das ganze Ausmaß ihrer Pläne für die Zukunft des Internets und seine Nutzer offenbar wird. Versucht man sich aus dem bisher von den Presseverlegern mit großem Lobbyaufwand vorgebrachten Informationsfetzen einen Reim auf das zu machen, was die Presseverleger wollen, bleiben zentrale Fragen offen. Hier können nur einige Aspekte angerissen werden:

Wäre die Frage eines neuen Monopolrechts für alte Verleger nicht eher auf EU-Ebene zu klären? Das Internet ist grenzüberschreitend. Nationale Alleingänge würden daher zwangsläufig zu Problemen für den grenzüberschreitenden Informationsfluss führen. Offen ist auch, was der Schutzgegenstand eines Leistungsschutzrechts sein soll. Soll der Schutz für die organisatorische, wirtschaftliche und finanzielle Leistung am Online-Portal eines Verlags festgemacht werden, jeden einzelnen Artikel bzw. jede Meldung erfassen oder soll er gar bereits im Hinblick auf einzelne Elemente, die durch Verleger im Internet veröffentlicht werden, entstehen? Im letzteren Fall wäre es sogar denkbar, dass exklusiv veröffentlichte Informationen monopolisiert werden. Eine Horrorvorstellung in einer Gesellschaft, deren Grundfesten auf Wissen und Bildung basieren. Unklar ist auch, wer von einem etwaigen Leistungsschutzrecht profitieren soll. Bekommt nur derjenige einen Anteil vom Pressesoli, der neben seinen Internetinhalten gleichzeitig eine regelmäßige Papierveröffentlichung auf den Markt wirft? Oder hätten auch Blogger und Onlinejournalisten einen Anspruch? Wie ist es mit anderen Anbietern, die Spezialinformationen, etwa zu Technik- oder Rechtsfragen, im Internet veröffentlichen?

Es drängen sich weitere Fragen auf: Warum sollen nur Verleger einen gesetzlich angeordneten Solidaritätsbeitrag von der Allgemeinheit erhalten? Müssten dann nicht auch Filmproduzenten oder Plattenfirmen pauschale Vergütungen zusätzlich zu ihren übrigen Geschäften und ohne besondere Zusatzleistungen von der Allgemeinheit erhalten? Es steht zu befürchten, dass mit einem Leistungsschutzrecht für Verleger eine immense Umverteilungsmaschinerie in Gang gesetzt würde, die alle Internetnutzer mit erheblichen Zusatzkosten belastet. Die Nutzer des Internets wären aufgrund des so zu entrichtenden Obolus nicht einmal gegen Abmahnungen wegen vermeintlicher Urheberrechtsverletzungen gefeit. Im Vergleich zum Status quo wäre nichts gewonnen, da ein Pressesoli keine erweiterte rechtmäßige Nutzungsmöglichkeit eröffnete. Es spricht also viel dafür, dass ein Leistungsschutzrecht für Verleger nur die überkommenen Geschäftsmodelle der alteingesessenen Presseverlage auf Kosten der Informationsfreiheit im Internet schützen würde.

Ein Interview auf Carta beschäftigt sich ebenfalls mit dem Thema Leistungsschutzrecht für Verlage.

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