Du befindest dich über den Dächern New Yorks, der Wind bläst dir durchs Gesicht, dein nächster Schritt könnte dein Letzter sein, wenn du den schmalen Steg zwischen den Gebäuden verfehlst. Du beginnst zu schwanken, die Umgebung um dich herum bewegt sich, gleich fällst du. Doch dein nächster Schritt führt nicht in den Abgrund, sondern auf den Boden deines Wohnzimmers. Du bist wieder in der Realität – gerade zurückgekehrt aus der Virtual Reality. Doch was ist das eigentlich und wie funktioniert die perfekte Illusion?
Im Rahmen des Mobile World Congress in Barcelona – eine der größten internationalen Mobilfunkmessen – ging letzte Woche ein Bild um die Welt: Facebook-Chef Mark Zuckerberg bahnt sich seinen Weg auf der Samsung-Pressekonferenz durch eine Menge VR-Brillen tragender Journalisten, die vollkommen eingenommen von der sich ihnen darstellenden Wirklichkeit nichts davon mitbekommen. Laut Zuckerberg ist Virtual Reality (VR) die nächste große Revolution in der Netzwelt, die sich in den kommenden Jahren entscheidend weiterentwickeln wird. Schon jetzt sind VR-Brillen für uns Verbraucher im Handel erhältlich und so langsam tasten sich verschiedene Branchen an die Technik heran. Doch wie funktioniert Virtual Reality eigentlich?
Die perfekte Täuschung der Sinne
Im Zentrum eines Virtual Reality-Erlebnisses steht eine VR-Brille, mit deren Hilfe man in eine zweite Realität eintauchen kann. VR-Brillen stehen zwar noch relativ am Anfang ihrer Entwicklung, doch erste Hersteller wie zum Beispiel Oculus (die mittlerweile zu Facebook gehören), Samsung, Microsoft, HTC, LG und Sony investieren gerade stark in VR-Technik und haben unter anderem auf dem MWC erste Modelle vorgestellt. Die dort gezeigten VR-Brillen besitzen entweder einen integrierten Monitor oder eine Vorrichtung, in die das Smartphone gesteckt wird.
Der Monitor bzw. das Display des Smartphones zeigen dabei zwei Screens an, die stereoskopisches Sehen ermöglichen: Das linke und das rechte Auge sehen zwei unterschiedliche Bilder aus zwei leicht abweichenden weiten Betrachtungswinkeln. Zwei Lupenlinsen in der Brille vor dem Display entzerren und vergrößern die Bilder für das menschliche Auge und das Gehirn setzt die beiden Bilder dann zu einem Bild zusammen. Dadurch entstehen der Eindruck von Raumtiefe und das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein. Sensoren für Rotation, Beschleunigung und Position verstärken diesen Eindruck noch weiter. Diese Sensoren messen zum Beispiel die Kopfbewegungen der Nutzer, sodass sich das Bild immer wieder neu berechnet und anpasst. Für das Display ist insbesondere eine möglichst hohe Auflösung wichtig und bei der Verwendung von Smartphones in VR-Brillen ist eine starke Rechenleistung von Vorteil. Generell gilt zudem: Je mehr Bilder pro Auge in der Sekunde, desto besser die Sinnestäuschung.
Spielerisch in neue Welten eintauchen
Vor allen für den Gaming-Bereich birgt VR bisher ungeahnte Möglichkeiten. Mit Hilfe der VR-Technik können sich die Nutzer noch besser in das Spiel hineinversetzen und beispielsweise aus der Ego-Perspektive virtuell im Raum des Spiels agieren. Oft wird das Erlebnis durch (spezielle) Controller in der Hand, sich bewegende Untergründe oder Stühle erweitert. Unter den Spieleherstellern herscht ein spannendes Wettrennen: Aktuell gibt es noch nicht so viele Spiele, die die neuesten Optionen nutzen, aber der Trend geht ganz klar in diese Richtung und läutet eine Ära mit neuen Genres von Computer-Spielen ein.
Bereits 2016 werden einige Spiele auf den Markt kommen, die Gamer mitnehmen, um neue virtuelle Welten zu entdecken: Der Weltraum-Shooter Eve-Valkyrie, das Rollenspiel Chronus mit Entdeckungstour auf einem verlassenen Planeten und Edge of Nowhere, wo der Protagonist im ewigen Eis gefangen ist, gehören zu den Neuheiten, die mit der Oculus Rift VR-Brille nutzbar sein werden. Entwickler arbeiten zudem daran, zukünftig auch künstliche Gerüche über eine Maske mit Wasserzerstäuber zu kreieren, über integrierte Mikro-Cooler kühle Luft für das Gefühl von Gegenwind auf die Haut zu pusten und Heizelemente in der Maske einzubauen, um Hitze vorzutäuschen. Eine weitere mögliche Entwicklung ist die Arbeit mit Druckluftkammern, die simulieren sollen, wenn Spieler von Kugeln getroffen werden.
Wo gibt es sonst noch VR?
Virtual Reality ist nicht nur eine Erfindung für Gamer, sondern eröffnet auch revolutionäre Chancen für Tourismus, Mode, Medizin und weitere Branchen. Besonders im Bereich der Medizin werden vermehrt sogenannte immersive Schulungen eingesetzt: Medizinstudenten tauchen via VR in eine vom Computer generierte Welt ein und können so beispielsweise komplizierte Operationen trainieren. Auf der anderen Seite soll VR auch für Patienten Linderung bringen können. Psychologen setzen VR-Brillen ein, um Patienten mit Angst auslösenden Reizen zu konfrontieren und Psychiater therapieren damit zum Beispiel Höhenangst.
Auch im Technik Bereich wird VR bereits angewandt. Siemens nutzt VR beispielsweise, um Gefahrsituationen auf einer Ölplattform zu simulieren. Außerdem nutzen die Mode- oder Automobilindustrie VR-Brillen, um ihren Kunden virtuelle Showrooms zu präsentieren. Auch Reiseanbieter zeigen potenziellen Kunden bereits das Hotelzimmer oder die Landschaft des Urlaubslands als kleinen Vorgeschmack auf eine bevorstehende Reise. Der Journalismus greift zudem in der Berichterstattung zum Beispiel auf Messen oder auch bei Demonstrationen auf 360°-Kameras zurück, die auch immer mehr ähnlich wie durch eine VR-Brille den Eindruck vermitteln, mitten im Geschehen zu sein.
Die Entwicklung
Bereits in den 1950er Jahren gab es erste Ansätze, Menschen durch spezielle Sinneswahrnehmungen und –täuschungen in eine andere Welt eintauchen zu lassen: Das sogenannte Cinerama (Fred Waller) war das erste Kino mit gewölbter Projektionsfläche und Surroundsound, was zusammen für das Gefühl sorgte, sich mitten im Geschehen zu befinden. Ähnliches gab es kurz später im Gaming-Bereich (Morton Heilig) mit stereoskopischen Bildern, Stereo-Effekten, Gerüchen und mechanischen Erschütterungen. Weitere Schritte folgten bis 2009 das Fraunhofer-Institut erstmals Eye Tracking vorstellte und Palmer Luckey 2012 mithilfe einer riesigen Crowdfunding-Aktion 2,5 Millionen Dollar für die Entwicklung einer VR-Brille sammeln und so die Firma Oculus gründen konnte, die mittlerweile von Facebook übernommen wurde.
Der Prototyp der Rift-Brille von Oculus entstand 2012 und ist einer der ersten seiner Art, aber andere Hersteller wie HTC, Samsung, LG und Sony sind mittlerweile auf den Zug aufgesprungen. Einen weiteren großen Schritt in der Entwicklung hat Microsoft mit der Microsoft Hololens nach sieben Jahren Forschung gewagt: Augmented Reality (AR) oder auch Mixed Reality nennt sich die Technologie, die noch einen Schritt weiter geht: Eine getönte, aber durchsichtige Brille soll es ermöglichen, unsere Realität mit Hologrammen zu erweitern. Die Hologramme sollen per Hand bewegt und verändert werden können. Die Hololens befindet sich derzeit noch in der Testphase und ist für den Autonormalverbraucher noch nicht zu erwerben.
Ausblick
Sollte sich der Trend zur virtuellen Realität in den nächsten Jahren durchsetzen, dann wird dieser unsere bekannte Realität verändern und unser Leben in einigen Gebieten bereichern. Nichtsdestotrotz sollte man beim Abtauchen in die virtuelle Realität die tatsächliche Realität nicht vergessen. Medienpsychologen warnen seit jeher und auch generell beispielsweise bei Computerspielen und insbesondere Ego-Shootern davor, den Bezug zur Wirklichkeit zu verlieren. Es gilt also: Lasst euch begeistern und verzaubern von den neuen Möglichkeiten, aber achtet auf das richtige Maß und zieht für euch selbst Grenzen.
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