Welche Option ist im Drop-down-Menü vorausgewählt? Welcher Beispielbegriff steht im unausgefüllten Suchfeld? Welche Bezahlvariante ist im Checkout vorgeschlagen und wie aufwändig ist es, sie zu ändern? Kaum ein Shop-Designer macht sich Gedanken um die Standardeinstellungen, die sogenannten „default values“. Er sollte dringend damit anfangen.
Eine der besten viralen Marketing-Aktionen der vergangenen Jahre war kein witziges Video, kein Flash-Mob auf dem Flughafen und keine Guerilla-Streetart, sie war eine Signatur – eine Standardsignatur. Die Software-Designer hatten das Signaturenfeld einfach nicht leer gelassen, wie so viele andere vor ihnen. Sie hatten eine kleine Botschaft in die Signatur des E-Mail-Clients geschrieben: „Sent from my iPhone“.
Die Signatur ist zwar leicht zu verändern, doch die allermeisten Nutzer machen davon keinen Gebrauch. Manche ändern sie nicht, weil sie es cool finden, sich als Besitzer eines iPhone zu erkennen zu geben. Manche ändern sie nicht, weil sie die Einstellungen dafür nicht finden. Aber die allermeisten ändern sie nicht, weil sie schlicht zu faul sind. Eine E-Mail-Signatur ist nichts, worüber man sich einen Kopf macht. Man geht den Weg des geringsten Widerstands und akzeptiert die Standardeinstellung so, wie sie ist.
Die Unzulänglichkeit der Entscheidung
Das Phänomen der Entscheidungsaversion ist bei den Psychologen schon lange bekannt. Das menschliche Gehirn sucht grundsätzlich nach Entlastung, und die findet es durch Abkürzungen (Metaphern, Assoziationen) oder zum Beispiel durch das Weglassen von Entscheidungen. Handlungen, die „in Fleisch und Blut“ übergegangen sind, wie beispielsweise der Schaltvorgang beim Autofahren, verlangen keine kognitiven Prozesse mehr vom Nutzer und werden daher als weniger anstrengend wahrgenommen. Dinge, die man „immer so“ gemacht hat, bleiben auch so. Die Psychologen sprechen vom „Bias des Status Quo“, also einer Art natürlicher Abweichung von rationalen Entscheidungen, begründet durch die Haltekräfte der Trägheit.
Und diese Verzerrung betrifft keineswegs nur banale Entscheidungen. Eine Studie zeigt, dass die Bereitschaft zur Organspende in kulturell vergleichbaren Ländern wie zum Beispiel Deutschland, Holland und Belgien signifikant unterschiedlich ausfällt. Den wichtigsten Grund dafür vermuten die Forscher im Registrierungsformular. Während Deutschland mit einem Opt-in-Format (Ich will spenden!) nur 12 Prozent Beteiligungsquote erreicht, kommt das benachbarte Belgien mit einem Opt-out-Format, bei dem die Bereitschaft zur Organspende ausdrücklich verneint werden muss, auf satte 98 Prozent bei der Beteiligungsquote.
Softwareentwickler Brett Welch sieht einen Gutteil des Erfolgs von Apple-Software in der Beachtung genau dieses Phänomens begründet. „Apple macht einen guten Job dabei, gute Standardeinstellungen für die User vorzugeben. Leider opfern sie auf diesem Altar häufig die Konfigurierbarkeit.“
Hang zur Routine und andere Motivatoren
Als einer der prominentesten Forscher dieses Fachgebiets seziert der Israeli Dan Ariely (Professor der Psychologie und Verhaltensökonomik an der Duke University) Woche für Woche Entscheidungsdilemmata. Neben dem oben beschriebenen Hang zur Routine kommen auch andere Motivatoren zum Tragen. So fehlt vielen Nutzern in der Entscheidungssituation schlicht das nötige Know-how für eine rationale Entscheidung, weshalb sie sich häufiger für vermeintlich sichere Mittelwerte entscheiden, oder sie orientieren sich an Empfehlungen vermeintlicher Experten. Befragt man die Nutzer hinterher, ist ihnen diese Entscheidungsgrundlage überhaupt nicht bewusst. Sie versuchen, ihr Verhalten nachträglich zu rationalisieren. Lediglich empirische Vergleichstests bringen die Erkenntnisse dann ans Tageslicht.
Vor Entscheidungen drücken
Eine dritte Variante, die dazu führt, dass sich User vor Entscheidungen „drücken“, ist eine unzureichende sinnliche Wahrnehmung. Es gibt eine Vielzahl wissenschaftlicher Experimente, die zeigen, dass die optische Wahrnehmung extrem vom Kontext abhängt. Die wahrgenommene Helligkeit eines gelben Quadrats steigt, wenn sie von anderen dunklen Quadraten umgeben ist, sie sinkt, wenn die Umgebung sehr hell ist. Erst wenn man die beiden Quadrate nebeneinander legt, sieht man, dass die Farben identisch sind. Ein Kreis, der von anderen kleinen Kreisen umgeben ist, wirkt kleiner als der gleiche Kreis, der mit anderen, noch kleineren Kreisen gefüllt ist.
In seinem lesenswerten Blog beschreibt Ariely solche und ähnliche Experimente für fast jede Lebenslage und für jede Sinneswahrnehmung. So zitiert er ein kleines und wenig repräsentatives Experiment, bei dem den Probanden vorgegaukelt wurde, dass sich in einer von zwei Tassen ein sündhaft teurer neuer Kaffee von Starbucks befindet. Tatsächlich waren beide Tassen mit identischer Flüssigkeit gefüllt, aber die Probanden erfanden allerlei Begründungen, warum eine Tasse besser schmeckt als die andere (siehe dazu auch das Video unter Webcode YH573Y auf webselling-online.de).
Foto: iStockPhoto.com
In Kooperation mit der Zeitschrift "webselling" (DATA BECKER GmbH & Co. KG, Düsseldorf), Autor: Frank Puscher
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